Wie durch Kategorisierung die Wahrnehmung zwischen Gruppen verzerrt wird

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Durch Kategorisierung neigen Menschen dazu, sich selbst und andere verschiedenen Kategorien zuzuordnen. Einerseits ist dies hilfreich, um die Komplexität der Umwelt zu reduzieren. Andererseits kann das aber auch die Grundlage für Diskriminierung sein. Durch Kategorisierung werden Gleichheiten innerhalb der eigenen Gruppe und Unterschiede zu anderen Gruppen verstärkt wahrgenommen. Das führt dazu, dass man bei verschiedenen Gruppen zwischen „Wir“ und „Ihr“ unterscheidet. Mitglieder der anderen Gruppe werden als Außenseiter identifiziert. Das führt zu einem stärkeren bevorzugenden Verhalten gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe.

Erinnerungen über Mitglieder der eigenen Gruppe sind positiver

Ein weiterer signifikanter Effekt ist, dass das Kommunikationsverhalten und das Erinnerungsvermögen im Bezug zu Mitgliedern der eigenen und der anderen Gruppe verschieden sind und verzerrt werden. So besteht die Tendenz, über Mitglieder anderer Gruppen mit einem negativer wertenden Wortschatz zu kommunizieren, als bei Mitgliedern der eigenen Gruppe. Zudem ist das Ausmaß, wie detailliert Informationen wiedergegeben werden, bei Mitgliedern einer anderen Gruppe größer. So werden Informationen die eigene Gruppe betreffend vereinfachter dargestellt, während die eine andere Gruppe betreffend ausführlicher dargestellt werden. Anbei ein veranschaulichendes Beispiel dafür. Über ein Mitglied einer anderen Gruppe wird dieser Satz erwähnt: „Sie half dem alten Mann über die Straße, indem Sie ihn an der Hand hielt und mit ihm zusammen die Straße überquerte“. Bei demselben Sachverhalt wird dieser Satz über das Mitglied der eigenen Gruppe genannt: „Sie ist hilfsbereit“.

Strategien zur Reduzierung der Effekte durch Kategorisierung

Den Effekt der Kategorisierung mit den erwähnten Auswirkungen kann es in unterschiedlichen Situationen geben. Im Berufsalltag kann das beispielsweise zwischen der eigenen Abteilung (eigene Gruppe) und einer anderen Abteilung (andere Gruppe) vorkommen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Auswirkungen der Kategorisierung zu reduzieren oder sie möglicherweise sogar zu beseitigen.

  • Dekategorisierung: Durch Hervorheben der Eigenschaften der Individuen in der Fremdgruppe soll der Blickwinkel von der Kategorie „Gruppe“ hin zum Individuum gelenkt werden. Somit soll die Diskriminierung anhand von Stereotypen die Gruppe betreffend reduziert werden und die Kategorie „Gruppe“ als wenig nützlich verinnerlicht werden.
  • Neukategorisierung: Es wird eine neue Kategorie geschaffen, welche die verschiedenen Gruppen einschließt. Ziel dabei ist es, die Wahrnehmung dahingehend zu verändern, dass sich die Mitglieder der Gruppen der übergeordneten Gruppe zugehörig fühlen und so ein neues „Wir“ entsteht. Im Beispiel des Robbers Cave Experiment (siehe Artikel zum Experiment) wäre beispielsweise denkbar, dass der Blickwinkel der jeweiligen Gruppe von der Gruppe „The Rattlers“ oder „Eagles“ zur gemeinsamen, übergeordneten Gruppe „Sommercamp“ verschoben wird.
  • Wechselseitige Differenzierung: Hierbei bleiben die Gruppen als autarke Gruppen bestehen, jedoch erhalten sie einander ergänzende Rollenfunktionen. Dadurch wird die Konkurrenzsituation beseitigt und es entsteht eine Situation der Kooperation. Beispielsweise hätten sich die Gruppen im Camp bei der Vorbereitung des Mittagessens aufteilen können, indem eine Gruppe das Fleisch und die andere Gruppe die Beilage zubereitet.

Quellen

Gaertner, S. L., & Dovidio, J. F. (2000). Reducing Intergroup Conflict: From Superordinate Goals to Decategorization, Recategorization, and Mutual Differentiation. Group Dynamics: Theory, Research, and Practice, Vol. 4, No. 1, S. 98-114.
Geschke, D., & Frindte, W. (2016). Henri Tajfel: Social Identity and Intergroup Relations. In Klassiker der Sozialwissenschaften. 100 Schlüsselwerke im Portrait. 2. Auflage. (S. 325-329). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.
Maass, A., & Salvi, D. (1989). Language Use in Intergroup Contexts: The Linguistic Intergroup Bias. Journal of Personality and Social Psychology. Vol. 57, No. 6, S. 981-993.